Ein Bunker der ganz besonderen Art war gerade mehrere Monate lang im Londoner „Barbican“-Kulturzentrum zu bewundern: Es handelte sich um eine Installation des polnischen Künstlers Robert Kusmirowski, der auf einer großen, mehrere Räume umfassenden Fläche einen Bunker des Zweiten Weltkrieges „nachgebaut“ hatte. In einer sehr geschickten Art und Weise verknüpfte er dabei die Beton-Architektur des Barbican mit seiner eigenen Arbeit. Wer die Räumlichkeiten betrat, glaubte zuerst tatsächlich, sich in einem alten, verstaubten Schutzbau zu befinden. Der „Bunker“ wirkte unheimlich, marode und deprimierend. Dem aufmerksamen Beobachter fiel aber auch auf, dass dieses Bauwerk nicht auf Authentizität angelegt war, es sollte kein täuschend echtes „Duplikat“ sein: Man fand an Geräten und Gegenständen Aufschriften in deutscher und in polnischer Sprache – und eine alte englische Zeitung, die von der Bombardierung Dresdens berichtete.
Das in den siebziger Jahren errichtete Barbican entstand als riesiger, mehrteiliger Betonbau in einem Stadtviertel, das während des Zweiten Weltkrieges von deutschen Bomben zerstört wurde. Die Anlage wirkt mit ihren hohen Wohntürmen wie eine angsteinflößende Festung und gilt als Paradebeispiel des „Brutalismus“. Auf eine beklemmende Art und Weise scheinen sich die architektonischen Albträume der Nachkriegszeit hier zu verdichten. Kusmirowski hat sowohl die kriegsbedingte Vernichtung des Stadtteils als auch die Beton-Zitadelle, die aus den Trümmern erwuchs, als Inspirationsquellen für sein Werk angeführt. Der Krieg und die ihm folgenden städtebaulichen Verheerungen wirken durch die „Bunker“-Installation als Symbole einer mehrfach gescheiterten Moderne. Der 1973 in Lodz geborene Künstler ist dafür bekannt, historische Orte anhand eigens gesammelter bzw. gebastelter Objekte realitätsnah darzustellen – von der Waldhütte des „Unabombers“ über eine typische polnische Arbeiterwohnung der siebziger Jahre bis zu den Waggons, die Europas jüdische Bevölkerung nach Auschwitz transportierten. Kusmirowskis Werke wurden bereits in Berlin, New York, Zürich, Hamburg, San Francisco und Warschau gezeigt.
Letzten Endes stellte Kusmirowskis „Bunker“ eine Erinnerung an die Abgründe des 20. Jahrhunderts dar, die im Zweiten Weltkrieg ihren extremsten Ausdruck fanden. Dabei zeigte er das Grauen nicht unmittelbar, sondern in einer verfremdeten, distanzierten Form. Man sah keine Bilder der Zerstörung, man erlebte nur das historische Echo, das in lange verlassenen Schutzräumen jener Zeit nachhallte. Die Besucher waren vor allem auf ihre Vorstellungskraft angewiesen. Und zugleich deutete sich im „Bunker“ auch die drohende nukleare Apokalypse an, die dem Zweiten Weltkrieg folgte. Denn der Bunker erinnerte natürlich auch an die Schutzräume des Kalten Krieges – die heutzutage oft verlassen sind und archäologische Relikte der Nachkriegszeit darstellen. Mit seinen Rekonstruktionen schafft es Kusmirowski als „historischer“ Künstler auf ganz eigene Weise, uns an die Schrecken des letzten Jahrhunderts zu erinnern.
Photos: Eliot Wyman
Januar 2010