Im Süden Roms befindet sich eine der wichtigsten italienischen Gedenkstätten. Sie trägt den Namen „Fosse Ardeatine“ (Ardeatinische Höhlen, oft auch Ardeatinische Gräber genannt) und erinnert an ein schreckliches Verbrechen, das am 24. März 1944 von den Nazis begangen wurde: die Ermordung von 335 Gefangenen durch die SS. Als Vergeltung für einen Partisanenangriff auf deutsche Truppen wurden sie in dem Stollen eines ehemaligen Steinbruches getötet. Die Opfer waren zwischen 15 und 75 Jahre alt – Juden, wahllos Aufgegriffene, Soldaten und Widerstandskämpfer. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte kein Einziger von ihnen mit dem Bombenanschlag zu tun, der zuvor 33 SS-Männern das Leben gekostet hatte. Auf Hitlers Befehl hin sollten für jeden getöteten Deutschen zehn Italiener sterben. Nach dem Massaker sprengte die SS die Höhle. Damit sollte der Zugang zum Tatort versperrt werden. Nach drei Monaten wurden die Leichen dann entdeckt. Die verantwortlichen Kommandeure Kappler und Priebke mussten sich nach dem Kriege vor Gericht verantworten.
Im Jahre 1949 wurde die Gedenkstätte eingerichtet. Sie gilt als zentraler Ort der italienischen Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. Neben dem Tatort wurde ein großes Mausoleum gebaut, in dem die Opfer in Gräberreihen aus Granit liegen. Da nicht alle Opfer identifiziert werden konnten, tragen 12 der Gräber keine Namen. Die niedrige, massive Decke verleiht dem Mausoleum eine beklemmende, beengte Atmosphäre. In der Höhle wiederum ist der Ort des Verbrechens mit einem Gittertor und einer Aufschrift an einer Wand gekennzeichnet. Dort steht: „Wir wurden an diesem Ort niedergemetzelt, weil wir gegen die innere Tyrannei, für die Freiheit und gegen die Fremden für die Unabhängigkeit unseres Vaterlandes kämpften. Wir ersehnten ein freies, gerechtes, demokratisches Italien. Unser Opfer und unser Blut seien der Keim dafür und eine Mahnung an die kommenden Geschlechter.“ Die Grabstätte soll symbolisch allen Italienern gewidmet sein, die für ihre Freiheit und ihr Land kämpften. Am Eingang der Gedenkstätte befindet sich eine monumentale Skulptur, die Opfer des Massakers darstellt.
Die Menschen, die in der Höhle ermordet wurden, haben eine würdige Gedenkstätte verdient. Zugleich sind die anhand des Mahnmals vermittelten Botschaften aber auch kritisch zu betrachten. So macht die oben zitierte Aufschrift aus allen 335 Ermordeten engagierte Widerstandskämpfer gegen die Nazis. Oft waren es aber – wie erwähnt – nur Unbeteiligte, die das Pech gehabt hatten, Juden zu sein oder willkürlich von den Nazis verhaftet wurden. Zugleich fällt auf, dass der italienische Faschismus und dessen Verbrechen in der Gedenkstätte kaum thematisiert werden. Auch die Informationsbroschüre, die man sich dort aushändigen lassen kann, verweist nur marginal auf die historische Kausalität der Ereignisse (wie z.B. die Tatsache, dass das faschistische Italien bis 1943 mit den Nazis verbündet war und erst nach größeren militärischen Niederlagen die Seiten wechselte). Somit hinterlässt die Gedenkstätte fälschlicherweise den Eindruck, dass die italienische Nation aus antifaschistischen Widerstandskämpfern bestand. Und das ist bedauerlich. Die abscheuliche Ermordung von 335 wehrlosen Personen spricht für sich. Sie haben es nicht verdient, als Alibi für eine Verklärung der Vergangenheit instrumentalisiert zu werden.
Juli 2009