Zunächst einmal erscheint der Berliner Untergrund weniger spannend als der anderer europäischer Hauptstädte. Berlin hat keine Katakomben aus der Zeit des frühen Christentums, wie z.B. Rom, oder unterirdische Bergwerksstollen wie in Paris, die auf das 13. Jahrhundert zurückgehen.
In der Tiefebene des Berlin-Warschauer Urstromtales, das in der Eiszeit entstand, gab es nur sumpfige Böden oder Sand mit einem Grundwasserstand von 3 Metern unter der Oberfläche. Folglich wurde in den letzen Jahrhunderten kaum - bis auf wenige Grabstätten, Eiskeller und Lagerräume - in den Untergrund hinein gebaut. Auch bei der Stadtbefestigung, die auf 1650 zurückgeht, kann nicht von unterirdischen Bauwerken gesprochen werden, waren es doch bloß Hochbauten, die später übererdet worden sind.
Die Ersten, die systematisch den Berliner Boden ausnutzten, waren die Brauereibesitzer, die etwa ab 1840 bis zu 18 Meter tiefe Braukelleranlagen errichteten. Sie taten dies nicht im eigentlichen Urstromtal, sondern an den Hängen des Barnim und des Teltow, welche diese Tiefebene begrenzen. Auf diesen Höhenzügen mit ihren Lehmböden gab es keine Probleme mit dem Grundwasser. Noch heute lassen sich anhand der Ränder des Urstromtales die traditionellen Berliner Brauereistandorte, im Süden mit Schöneberg, Kreuzberg, Neukölln und im Norden mit Friedrichshain, Prenzlauer Berg und Wedding nachvollziehen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde in Berlin innerhalb von nur wenigen Jahrzehnten das, was für eine moderne Großstadt mittlerweile selbstverständlich geworden ist, nämlich eine unterirdische Infrastruktur, errichtet. Es wurden die Kanalisation, die Wasserversorgung, eine flächendeckende Stromversorgung, die Rohrpost und ein leistungsfähiger öffentlichen Nahverkehr installiert. Die Ursache für diese rasante Entwicklung liegt in der Industrialisierung, deren veränderte Waren- und Dienstleistungsproduktion Millionen von Menschen in den Städten band und so die Errichtung der städtischen Infrastrukturen notwendig machte. Zuvor kamen Städte über viele Jahrhunderte lang auch ohne diese Systeme aus, da sich die Ver- und Entsorgung in kleinen Einheiten und in den ländlichen Regionen relativ einfach organisieren ließ.