Alan Weismans „Die Welt ohne uns“ (Piper Verlag) gehört zu den interessantesten Neuerscheinungen des Jahres 2007. Der Verfasser beschäftigt sich mit der Frage, wie die Erde nach einem plötzlichen Verschwinden der Menschheit aussehen wurde: Was würde von unserer Zivilisation bleiben? Könnte die Natur sich wieder vollständig erholen? Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde dieses Buch das populäre Genre der „speculative history“ lediglich auf die Zukunft übertragen. Bei der Lektüre macht sich aber schnell bemerkbar, dass Weismans Text viel seriöser und fundierter ist als irgendwelche „Was wäre gewesen, wenn ...“-Gedankenspiele. Weisman räumt ein, dass ein abruptes, vollständiges Aussterben der Menschen unwahrscheinlich ist – aber theoretisch wäre es eben möglich. Der Autor hält sich auch nicht lange mit dieser Frage auf, sondern beschreibt, welche Spuren unsere Kultur auf der Erde hinterlassen würde. So stellt er zum Beispiel anschaulich dar, wie unsere Städte bereits nach wenigen Jahrzehnten in sich zusammenstürzen würden. Vor allem das eindringende Wasser würde – zusammen mit sich ausbreitender Vegetation – die Gebäude Schritt für Schritt zerstören. Schließlich würden sich ablagernde Erdschichten die Reste der Metropolen langsam bedecken. Zu unseren „nachhaltigsten“ Hinterlassenschaften dürften übrigens die giftigen Reste der atomaren und chemischen Industrien gehören.
Die nächste Eiszeit, die bereits überfällig ist, würde die verbliebenen Relikte unserer Zivilisation unter mächtigen Gletschern zerreiben. Und nach mehreren Millionen Jahren könnte man nur noch in geologischen Schichten Gegenstände aus hochwertigem Metall sowie Glas- und Keramikreste identifizieren ... und möglicherweise Plastik! Denn die existierenden Mikroben sind (noch) nicht in der Lage, diesen Stoff zu zerlegen. Noch später würden von der Menschheit vielleicht nur noch erhöhte Schwermetallkonzentrationen im Gestein bleiben. Die Natur wiederum würde den ursprünglichen Zustand wieder herstellen – abzüglich der ausgerotteten Tierarten und der irreparabel zerstörten Biotope. Die atomaren und chemischen Altlasten des Menschen werden immer wieder lokale ökologische Katastrophen verursachen, das Gesamtbild aber nicht wesentlich verändern.
Weismans Buch zeichnet sich durch eine fundierte Kenntnis ökologischer Zusammenhänge aus. Der Verfasser hat sehr gründlich recherchiert. Er bereichert den Text mit Ausführungen über den Zusammenbruch vergangener Zivilisationen (wie zum Beispiel der Maya). Er demonstriert anhand einer gegenwärtigen „Geisterstadt“, wie schnell unsere Infrastruktur zerfallen kann. Und er führt dem Leser eindringlich die erschreckende Ausrottung zahlreicher Tierarten vor Augen. Leider schweift Weisman mitunter zu sehr ab: Hier und da wäre mehr Stringenz angebracht! Auch die reißerische Aufmachung einiger Kapitel stört, der Autor hat das wirklich nicht nötig. Weismans Auffassung, dass alle Umweltprobleme durch eine „Ein-Kind-Politik“ gelöst werden könnten, mag grundsätzlich zwar richtig sein, lässt aber die damit einhergehenden Probleme außer Acht – hier verliert der Verfasser seinen scharfen Blick. Trotzdem ist „Die Welt ohne uns“ ein äußerst lesenswertes Buch. Als Ausblick bleibt hinzuzufügen, dass die Sonne sich in etwa fünf Milliarden Jahren aufblähen und unser Planetensystem zerstören wird. Dann werden im All nur noch zwei sich langsam auflösende „Voyager“-Sonden und umherirrende Radiowellen an uns erinnern. Letztere könnten die einzige ewige Spur der Menschheit sein …