Vom 27.4. – 29.4. 2007 fand das erste Brauerei-Seminar des Vereines „unter-berlin“ statt. Hier ein kleines „Tagebuch“ der Veranstaltung:
Nachdem die Seminarleiter gegen 14 Uhr die Teilnehmer auf dem Gelände der „Kulturbrauerei“ eingesammelt hatten, konnte die Veranstaltung ihren Lauf nehmen: Ehe diese wussten, wie ihnen geschah, befanden sie sich bereits in den alten Kellergewölben tief unter der Brauerei. Die ehemalige „Schultheiss I“ begründete zusammen mit dem „Pfefferberg“ um 1840 den Prenzlauer Berg als Brauerei-Standort – sicher ein angemessener Ort, um das Seminar einzuleiten.
Nach einer kurzen Einführung folgte die Vorstellungsrunde. Dabei wurde eine örtliche Bierspezialität als „Einstieg in die Materie“ verkostet. Prost! Dann führte der Referent Herr Rollmann die Gruppe kurz durch die Gewölbe und erläuterte die Geschichte der Brauerei. Nach einer Erläuterung des Programms und dem Austeilen schriftlicher Materialen wurde es dann „handfest“: Herr Rollmann hielt ein Referat über die deutschen Trink(un)sitten ab – von den metseligen Germanen bis zum Konsum im wiedervereinigten Deutschland.
Dann ging es wieder an die Oberfläche. Frau Gronau vom „TIC“-Touristik-Büro führte fachkundig über das ausgedehnte Areal der Kulturbrauerei und erklärte, wie man dem einstmals maroden Gelände wieder Leben eingehaucht hat – mit Kneipen, Clubs, Theatern, Kinos und anderen Einrichtungen. Viel Aufmerksamkeit fand dabei die imposante Architektur von Franz Schwechten, der der Stadt Berlin auch die Gedächtniskirche und den Anhalter Bahnhof beschert hat. Da Frau Gronau den einen oder anderen Schlüssel in ihrer Tasche hatte und zudem offenbar alle in der Kulturbrauerei herumwuselnden Menschen kannte, konnte die Gruppe auch manchen Blick „hinter die Kulissen“ werfen.
Zum Abschluss begab sich die Gruppe dann zum zweiten großen Brauerei-Veteranen vor Ort: dem „Pfefferberg“ am Senefelder Platz. Momentan wird das Gelände vom „Pfefferwerk“-Verband für diverse soziale Projekte renoviert. Im lauschigen Biergarten erläuterte der Referent die abwechslungsreiche Geschichte der Brauerei. Er hatte gerade die zwanziger Jahre erreicht, als ihn folgende Frage eines Teilnehmers ereilte: „Sag mal, warum holen wir uns nicht ein Bier, setzen uns hin ... und dann erzählst du weiter.“
Angesichts der sengenden Sonne erschien dem Referenten diese Idee gar nicht mal sooo abwegig. Die Tatsache, dass er sich dann freilich eine Cola bestellte (während die Seminarteilnehmer natürlich Bier tranken!), bescherte ihm einigen Spott. Er redete sich damit heraus, dass er als Seminarleiter „nüchtern bleiben müsse“.
Zu später Stunde löste sich die Gruppe langsam auf ...
Am Morgen des nächsten Tages traf sich die Gruppe vor dem Deutschen Technik Museum. Einige Teilnehmer wirkten dabei leicht übernächtigt und matt – sie waren den Verlockungen des „Pfefferberg“-Biergartens bzw. anderer Berliner Wirtshäuser erlegen ... und wurden nun vom colatrinkenden Seminarleiter verspottet.
Die Führung durch die Brauerei-Abteilung des Museums hauchte allen Teilnehmern wieder neues Leben ein. Peter Gräser, ostberliner Veteran des Brauereigewerbes, erklärte anhand zahlreicher historischer Exponate die Produktion des Bieres. Hier konnte man richtig schön fachsimpeln und in den einen oder anderen Kessel schauen! Anschließend wurden noch zwei Dokumentarfilme gezeigt, die die Führung abrundeten. Danach ging es in die Mittagspause. Glücklicherweise beinhaltete das Museum ein kleines Wirtshaus!
Mit U-Bahn und Straßenbahn fuhr die Gruppe sodann in den Prenzlauer Berg, wo zuerst die Teilruine der alten Schneider-Brauerei besichtigt wurde. Das Gebäude erweckte großes Interesse bei den Teilnehmern und der Referent konnte sich der vielen Fragen kaum erwehren. In unmittelbarer Nähe befand sich einst auch der Saalbau Friedrichshain, in dem sich Anfang der dreißiger Jahre erbitterte politische Kämpfe zwischen den Nazis und den Kommunisten abspielten.
Der Weg zur nächsten Station führte durch den Friedrichshain ... und dort „zufälligerweise“ an einem Biergarten vorbei, der den Teilnehmern angesichts der vom Himmel brennenden Sonne wie eine Oase erschien. Abgesattelt, Bier geholt und hingesetzt! Für Heiterkeit sorgte dabei die Tatsache, dass der Referent am Tisch von einem „Vogelschlag“ getroffen wurde!
Schließlich erreichte die Gruppe die Ruine der Patzenhofer-Brauerei, die ein beeindruckendes Zeugnis der einstigen Größe der Berliner Brauereien darstellt. Als Patzenhofer und Schultheiss in den zwanziger Jahren fusionierten, war der weltweit bedeutendste Brauereikonzern entstanden. Die nach der Wende stillgelegte Brauerei sollte zu einer Geschäftspassage umgebaut werden und wurde zum großen Teil abgerissen. Das Einkaufszentrum wurde bis jetzt aber nicht realisiert. Somit bleiben Fassaden, Mauern mit Einschüssen ... und ein See in den früheren Gewölben der Anlage.
Ein Stück weiter wurde zuletzt noch der Standort des ehemaligen Böhmischen Brauhauses besichtigt. Während Teile des Areals mit einem Hotel neu bebaut wurden und die alte Mälzerei ansprechend renoviert wurde, liegen andere Teile des Geländes noch brach. Dann stieg die Gruppe in die U-Bahn und fuhr zum „Brauhaus Südstern“. Der Referent ließ es sich nicht nehmen, während der Fahrt hier und da auf die berühmte U-Bahnarchitektur Alfred Grenanders hinzuweisen ...
Im Brauhaus angekommen, wurde zunächst einmal ein großer Tisch im kleinen Biergarten okkupiert. Dann erschien Braumeister Thorsten und erklärte der Gruppe anschaulich, wie er sein Bier herstellt. Seine Ausführungen wurden natürlich mit „Mustern aus der Produktion“ unterlegt. Anschließend erfolgte eine ausführliche Nachbereitung des Seminartages im Biergarten. Nur der Referent Rollmann zog sich mit dem Verweis auf das Nudelholz seiner für ihn kochenden Freundin früh aus der Affäre.
Am nächsten Morgen führte der Historiker und Archäologe Dr. Martin Albrecht die Gruppe über das Areal der alten Königstadt-Brauerei, die heutzutage von einer Genossenschaft genutzt und renoviert wird. Die Führung beinhaltete auch die beeindruckenden, mehrere tausend Quadratmeter großen Kellerräume. Diese Gewölbe blicken auf eine bewegte Geschichte zurück: Nachdem die Bierproduktion dort in den Zwanzigern eingestellt wurde, verwendete man sie als Garage. Während des Nationalsozialismus wurden sie als Luftschutzraum und dann für die Waffenproduktion durch Zwangsarbeiter genutzt. Später züchtete man dort Pilze, mit denen „die DDR den Weltmarkt erobern wollte“. Hier und da haben Künstler Spuren in dem Keller hinterlassen – so befinden sich zum Beispiel in einem der Gewölbe bunte Wandgemälde.
Nach einer Pause und einem kurzen Abstecher zu den historischen Wasserspeichern an der Belforter Straße wurde der Biergarten „Prater“ besichtigt ... ein 1837 begründetes Urgestein des Berliner Brauereigewerbes. Dieser Ort ist auch eng mit der Geschichte der Berliner Arbeiterbewegung verbunden, die an diesem Ort im 19. Jahrhundert viele Versammlungen abhielt – die wiederum häufig von der Polizei gestört und aufgelöst wurden.
Nach der Mittagspause holte Herr Rollmann die Gruppe im Prater ab. Nun ging es in den Endspurt: Die Gruppe fuhr in das „Brauhaus Mitte“, wo vier verschiedene Biere verkostet wurden. Dann folgte die Seminarauswertung, bei der die Seminarteilnehmer Lob und Tadel anbringen konnten. Der Referent schrieb dabei fleißig mit. Mit einigen weiteren Bieren ging das erste Brauerei-Seminar des Vereines „unter-berlin“ behutsam seinem Ende entgegen ...
Das nächste Brauerei-Seminar findet vom 24.-26. August 2007 statt.