Unterirdische Bauwerke sind oft in Vergessenheit geratene Indikatoren gesellschaftlicher politischer Prozesse. Sie können fast wortwörtlich als „verschüttete“ Geschichte verstanden werden. Dies betrifft vor allem die militärischen Bauwerke, die einen großen Teil dieser Architektur ausmachen und Zeugen des sinnlosen Rüstungswahns vergangener Epochen sind.
Darüber hinaus zeichnen sich derartige Bauwerke durch eine hohe Authentizität aus. Sie lassen sich normalerweise nicht für andere Zwecke als ihre ursprüngliche Funktion verwenden und werden somit nur selten architektonisch überformt. Zudem entziehen sie sich häufig der optischen Wahrnehmung und werden deswegen von der Gesellschaft nicht zur Kenntnis genommen.
Aufgrund ihrer Authentizität und ihrer eher ungewöhnlichen ästhetischen Erscheinung bewirken unterirdische Bauwerke bei Besuchern eine erhöhte Aufnahmebereitschaft. Diese kann für pädagogische Zwecke genutzt werden und findet beim Konzept „Lernen am authentischen historischen Ort“ Verwendung. Die relevanten Inhalte können in dabei in einer sehr anschaulichen Weise vermittelt werden. Dies gilt auch für die Rezeptionsgeschichte derartiger Bauwerke.
1. Die Hauptaufgabe des Vereines „unter-berlin“ ist die Dokumentation und Einordnung unterirdischer Bauwerke in ihren historischen Kontext und die damit verbundene kritische Auseinandersetzung mit deutscher Geschichte. Dies betrifft vor allem das Dritte Reich, aber auch die DDR. Die militärischen Bauwerke, die diese Epochen im Untergrund hinterlassen haben, symbolisieren den fehlgeleiteten Glauben, dass Krieg als Instrument der Politik grundsätzlich denkbar ist und die Illusion, dass Bunker ihren Insassen realen Schutz bieten können. Im Sinne politischer Bildungsarbeit sollen anhand dieser Bauten historische Hintergründe und kritisches Denken vermittelt werden. Der Schwerpunkt dieser Aktivitäten liegt in Berlin, da diese Stadt von zentraler Bedeutung für die deutsche Geschichte ist.
2. Zugleich versteht sich der Verein „unter-berlin“ als ein Kommunikationsforum, dass sich mit der Frage befasst, wie historische unterirdische Architektur sinnvoll zu nutzen ist. Angesichts der Tatsache, dass diese Bauwerke häufig musealisiert werden und als Veranstaltungsorte Verwendung finden, sollen Kriterien entwickelt werden, die sowohl der spezifischen Geschichte einzelner Objekte gerecht werden, als auch allgemeine denkmalpflegerische Aspekte herausstellen. Die Öffentlichkeit soll über diese Aktivitäten und die damit verbundenen Diskurse informiert werden.
3. Weiterhin fasst „unter-berlin“ den Untergrund als ein eigenständiges historisches und kulturelles Phänomen auf. Die Frage nach dem Sinn des unterirdischen menschlichen Wirkens soll hier ebenso beantwortet werden wie die Frage nach der Rezeption des Untergrundes. Von der Erkenntnis ausgehend, dass die Menschheit seit ihren Ursprüngen vielschichtige Bezüge zum Untergrund hat und ihre Aktivitäten unter der Erde in Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit zunehmen werden, sollen diese Zusammenhänge ergründet und erläutert werden.
Berlin, November 2004